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Zum Thema Erbrecht
- Auskunftsanspruch bei Pflichtteil: Erbe muss zur Erstellung des notariellen Nachlassverzeichnisses grundsätzlich persönlich erscheinen
- Auslegung der Pflichteilsstrafklausel: Die Bedingungen für den Ausschluss aus dem Schlusserbrecht müssen eindeutig fomuliert sein
- Auslegung eines Testaments: Selbst bei scheinbar klarem Wortlaut können die Umstände anderes ergeben
- Deutliche Regelungen notwendig: Interpretationsfähige Andeutungen reichen für eine befreite Vorerbschaft nicht aus
- Vererbbarkeit von Sozialhilfe: Sozialleistungen nach dem Landesblindenhilfegesetz gehen nicht auf Erben über
Das Auskunftsrecht eines Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erben ist grundlegend für die Bezifferung der Höhe des Pflichtteils. Dass dies jedoch immer wieder zu Streitigkeiten führt, zeigt der folgende Fall des Bundesgerichtshofs (BGH).
Die nichteheliche Tochter eines Mannes verlangte von dessen Witwe ihren Pflichtteil und erwirkte in diesem Zusammenhang eine Entscheidung, in der die Witwe verurteilt wurde, der Tochter Auskunft über den Nachlass durch Vorlage eines notariellen Bestandsverzeichnisses zu geben. Der zuständige Notar beraumte mehrere Termine zur Aufnahme des Nachlassverzeichnisses an, wobei die Witwe jedoch nur zu dem ersten Termin erschien und dem Notar umfangreiche Unterlagen vorlegte. Ein Gericht setze daraufhin auf Antrag der Tochter ein Zwangsgeld, ersatzweise Zwangshaft zur Erzwingung der Auskunftsverpflichtung fest. Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Schuldnerin hat das Beschwerdegericht zurückgewiesen. Dagegen wehrte sich die Witwe mit der Begründung, dass der Notar vor Erlass des Zwangsgeldbeschlusses ein notarielles Nachlassverzeichnis aufgenommen und die an Parteien mit der Bitte um Stellungnahme verschickt hatte.
Der BGH gab der Witwe schließlich Recht. Er stellte zunächst klar, dass es sich bei der Mitwirkungspflicht des Erben um eine unvertretbare Handlung handelt, die im Bedarfsfall zu vollstrecken ist. Ist der Erbe jedoch beim Notar persönlich erschienen und hat er dabei Angaben zum Nachlass gemacht, ist er nicht verpflichtet, bei weiterem Aufklärungsbedarf zu erneuten Terminen auch persönlich zu erscheinen.
Hinweis: In der Rechtsprechung ist umstritten, in welchem Umfang der Erbe bei der Erstellung des Nachlassverzeichnisses mitwirken muss. Die Frage, ob der Auskunftsverpflichtete vor dem mit der Aufnahme des Nachlassverzeichnisses beauftragten Notar persönlich zu erscheinen hat, lässt sich nach Ansicht des BGH auch nicht allgemein beantworten. Der Umfang der Verpflichtung des Erben zur Mitwirkung an der Aufnahme des notariellen Nachlassverzeichnisses richtet sich danach, in welchem Umfang diese Mitwirkung für die ordnungsgemäße Aufnahme des Verzeichnisses erforderlich ist. Maßgeblich sind daher jeweils die Umstände des Einzelfalls. Das Gericht hat jedoch klargestellt, dass der Notar den Erben grundsätzlich persönlich befragen und ihn dabei auf seine Pflicht zur Erteilung wahrheitsgemäßer und vollständiger Angaben hinweisen können muss.
Quelle: BGH, Beschl. v. 13.09.2018 - I ZB 109/17
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2019)
Pflichteilsstrafklauseln können bei gemeinschaftlichen Testamenten verhindern, dass nach dem Tod des einen Ehepartners das Vermögen dadurch zerstückelt wird, dass Schlusserben - zumeist die Kinder - bereits zu diesem Zeitpunkt ihren Pflichtteil verlangen. Auch im folgenden Fall des Oberlandesgerichts München (OLG) kam diese Problematik zur Sprache.
Ein Ehepaar hinterließ ein gemeinschaftliches Testament, in dem es sich gegenseitig zu Alleinerben und seine beiden gemeinsamen Kinder zu Schlusserben des Längstlebenden einsetzte. Zudem war darin eine Pflichtteilsstrafklausel enthalten, nach der ein Kind und seine Nachkommen enterbt würden, sofern es seinen Pflichtteil nach dem Tod des zuerst Verstorbenen verlangt. Nach dem Tod des Ehemannes wurde seiner Frau ein Erbschein als Alleinerbin ausgestellt, wogegen sich die Tochter wandte, da sie Einwände gegen die Wirksamkeit des Testaments hatte. Diese wurden jedoch vom Gericht abgelehnt. Nach dem Tod der Mutter machte das andere Kind geltend, dass seine Schwester dadurch die Erbenstellung verloren hatte und es somit nun Alleinerbe sei. Das OLG sah dies jedoch anders.
Unter der gewählten Formulierung "verlangen" wird nach dem Wortsinn ein ausdrücklicher und ernsthafter, auch außergerichtlicher Versuch sanktioniert, den Pflichtteil zu erhalten - unabhängig davon, ob der Fordernde den Pflichtteil beziffert oder diesen tatsächlich erhält. Dies umfasst jedoch nach Auffassung des Gerichts nicht jedes Verhalten eines Schlusserben gegen die in der letztwilligen Verfügung getroffenen Anordnungen.
Hinweis: Welche konkreten Voraussetzungen für die Verwirklichung der Pflichtteilsausschlussklausel erfüllt sein müssen, können die Ehegatten selbst regeln. Insofern kommt es entscheidend auf die Formulierungen im Testament und auf dem Willen der Erblasser an, der gegebenenfalls im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Hätte das Testament beispielsweise die Formulierung "Wer das Testament anficht ..." enthalten, hätte die Tochter ihr Schlusserbrecht verloren.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 06.12.2018 - 31 Wx 374/17
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(aus: Ausgabe 02/2019)
Die Unterscheidung zwischen der Anordnung einer Voll- und einer Vorerbschaft durch ein Testament ist zuweilen schwierig, da ein Vorerbe nicht im gleichen Ausmaß über das Erbe verfügen kann wie ein Vollerbe. Dass aus diesem Umstand heraus häufig Streitigkeiten entstehen, war Grundlage des folgenden Falls, den das Kammergericht Berlin (KG) zu entscheiden hatte.
Ein Ehepaar hatte sich in einem gemeinschaftlichen Testament gegenseitig zu Erben eingesetzt und ihre gemeinsamen Kinder zu Erben des Letztversterbenden. Der Sohn sollte dabei zudem "unbedingt" ein bestimmtes Grundstück erhalten. Nach dem Tod des Mannes stritten die Kinder darüber, ob ihre Mutter lediglich Vorerbin oder Vollerbin war. Der Sohn befürchtete, dass die Mutter das Grundstück unentgeltlich auf den Sohn seiner Schwester übertragen wollte, und argumentierte daher, dass sie als Vorerbin dazu nicht berechtigt sei.
Das KG ging zunächst davon aus, dass die Ehefrau lediglich befreite Vorerbin war. Es stellte klar, dass der Wortlaut hier zwar eher für eine Vollerbschaft spricht - stellte aber gleichsam klar, dass es sich bei der Auslegung des Testaments auch bei einer ihrem Wortlaut nach scheinbar eindeutigen Willenserklärung an den Wortlaut nicht gebunden sieht. Denn hier hat sich aus den Umständen heraus ergeben, dass der Erklärende mit seinen Worten einen anderen Sinn verbunden hatte, als es dem allgemeinen Sprachgebrauch entspricht.
Nach der Beweisaufnahme befand das KG abschließend, dass es der Wille des Ehepaars gewesen war, dass der als Alleinerbe eingesetzte überlebende Ehepartner in seiner Verfügungsbefugnis über das Grundstück weitgehend unbeschränkt sein sollte, soweit es um die eigene finanzielle Absicherung der zukünftigen Lebensgestaltung geht. Mit dem Testament sollte jedoch zugleich der Zweck erreicht werden, dass der Sohn das Grundeigentum am gesamten Grundstück erhalten sollte, weil er auf dem Grundstück seinen Lebensmittelpunkt und die Schwester unstrittig kein Interesse an dem Grundstück hatte. Das Grundstück sollte innerhalb der Familie an den Sohn weitergegeben werden, sofern der überlebende Ehepartner nicht aus Gründen der Beschaffung finanzieller Mittel das Grundstück veräußern wolle.
Hinweis: Bei handschriftlichen Testamenten kann die Ermittlung des wahren Erblasserwillens häufig schwierig sein. Selbst scheinbar klare Formulierungen können aus juristischer Sicht anderes bedeuten, als der Erblasser beabsichtigt hat. Daher empfiehlt es sich entweder, fachkundigen Rat einzuholen und/oder die Beweggründe für eine Entscheidung im Testament mit aufzunehmen.
Quelle: KG, Beschl. v. 16.11.2018 - 6 W 54/18
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2019)
Durch eine Vor- und Nacherbschaft kann der Erblasser sein Vermögen sozusagen zweimal vererben. Zunächst wird der Vorerbe zu seinem Erben, der jedoch nicht nach Belieben über das Erbe verfügen kann, und zu einem späteren Zeitpunkt dann zum Nacherben (in der Regel nach dem Tod des Vorerben). Um den Nachlass zu erhalten, darf der Vorerbe unter anderem keine Nachlassgegenstände verschenken und nicht über zum Nachlass gehörende Immobilien verfügen. Von diesen Beschränkungen kann der Erblasser den Vorerben allerdings befreien, was jedoch häufig strittig ist - wie im folgenden Fall des Oberlandesgerichts München (OLG).
Ein Mann hatte aus erster Ehe eine Tochter und einen Sohn. Nach der Scheidung heiratete er eine Frau, die bereits einen Sohn aus einer früheren Beziehung hatte. In seinem Testament bestimmte er seine zweite Ehefrau zur Alleinerbin. Weiterhin verfügte er, dass "nach ihrem hoffentlich späten Ableben" das Erbe je zur Hälfte an seine Tochter und den Sohn der Ehefrau gehen sollte. Nach seinem Tod wurde der Ehefrau ein Erbschein als von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen befreite Vorerbin ausgestellt. Dagegen wandte sich jedoch die Tochter, da nach ihrer Ansicht die Ehefrau nur nichtbefreite Vorerbin sei.
Das OLG gab der Tochter recht. Es stellte zunächst fest, dass in diesem Fall eine Vor- und Nacherbschaft angeordnet worden war und dass der Regelfall der Vorerbschaft die nicht befreite Vorerbschaft ist. Daher bedarf es einer Anordnung des Erblassers, wenn er dem Vorerben Verfügungsbefugnisse einräumen will, die über die vom Gesetz vorgesehenen hinausreichen, Das war nach Ansicht des OLG in diesem Fall jedoch nicht erfolgt. Aus der Bezeichnung als Alleinerbe kann allein nicht der Schluss auf eine Befreiung gezogen werden. Weder der Umstand, neben der leiblichen Tochter auch das nicht verwandte Kind der zweiten Ehefrau bedacht zu haben, noch die Tatsache, der Ehefrau ein langes Leben zu wünschen, reichen aus, eine Befreiung der Vorerbin von den gesetzlichen Verfügungsbeschränkungen anzunehmen.
Hinweis: Die Befreiung eines Vorerben muss im Testament selbst enthalten sein. Eine ausdrückliche Erklärung ist nicht erforderlich und sogar eine stillschweigende Befreiung möglich. Jedoch muss dies irgendwie - wenn auch nur andeutungsweise oder versteckt - zum Ausdruck kommen. Trifft das zu, können auch sonstige, außerhalb des Testaments liegende Umstände zu dessen Auslegung herangezogen werden. In solchen Fällen ist es also der Auslegung durch die Gerichte überlassen, ob eine befreite oder unbefreite Vorerbschaft angenommen wird. Es empfiehlt sich daher, dies im Testament eindeutig zu regeln, damit sichergestellt wird, dass der tatsächliche Wille des Erblassers umgesetzt wird.
Quelle: OLG München, Beschl. v. 09.01.2019 - 31 Wx 39/18
zum Thema: | Erbrecht |
(aus: Ausgabe 02/2019)
Bei einem Todesfall stellt sich immer wieder auch die Frage, welche Ansprüche gegen Arbeitgeber oder Behörden auf die Erben übergehen. Das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) versuchte im Folgenden, zumindest auf dem Gebiet von Sozialhilfeansprüchen Licht in diese Angelegenheit zu bringen.
Ein Mann beantragte Landesblindenhilfe und legte entsprechende ärztliche Atteste vor. Als der Antrag jedoch abgelehnt wurde, legte der Mann Widerspruch ein. Doch dann starb er während des Verfahrens. Als seine Frau das Verfahren weiterführen wollte und für die Zeit von der Antragstellung bis zu seinem Tod Nachzahlung der Blindenhilfe verlangte, wurde dies abgelehnt, da der Anspruch auf Landesblindenhilfe nicht vererblich sei. Dagegen reichte die Frau Klage beim Sozialgericht ein.
Letztlich landete der Fall beim LSG. Und das wies darauf hin, dass die Ansprüche nach der ausdrücklichen Regelung im Gesetz über die Landesblindenhilfe Baden-Württemberg schon einmal nicht vererblich sind. Selbst wenn sie es wären - hier war der Anspruch erst gar nicht auf die Witwe übergegangen. Nach dem Sozialgesetzbuch stehen fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen beim Tod des Berechtigten dem/den Erben zu, wenn diese/r mit dem Berechtigten zur Zeit seines Todes in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat/haben oder von ihm/ihnen wesentlich unterhalten worden sind. Dies gilt jedoch nicht für höchstpersönliche Leistungen, da diese nicht übergangsfähig sind, weil nach dem Tod des Hilfesuchenden die Sozialhilfeleistung der Erfüllung des mit ihr verfolgten Zwecks gar nicht mehr dienen können. Der Zweck der Landesblindenhilfe, blindenspezifische Bedürfnisse auszugleichen, konnte hier nach dem Tod des Betroffenen schließlich gar nicht mehr erreicht werden.
Hinweis: Sozialhilfeansprüche haben grundsätzlich höchstpersönlichen Charakter, können nicht übertragen, verpfändet oder gepfändet werden und gehen regelmäßig mit dem Tod des Leistungsberechtigten unter. Sozialhilfeansprüche sind nur vererblich, wenn die hilfebedürftige Person zu Lebzeiten ihren Bedarf mithilfe eines im Vertrauen auf die spätere Bewilligung vorleistenden Dritten gedeckt hat - etwa durch Aufnahme eines Darlehens, weil der Sozialhilfeträger nicht rechtzeitig geholfen oder die Leistung abgelehnt hat. Nach dem Tod des Leistungsberechtigten muss also eine auf der anderweitigen Hilfe beruhende Nachlassverbindlichkeit bestehen. Andernfalls erhalten die Erben keine Sozialhilfeleistungen des Verstorbenen.
Quelle: LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 13.09.2018 - L 7 SO 4189/16
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(aus: Ausgabe 02/2019)