Auf dieser Seite finden Sie aktuelle Mandanteninformationen. Wenn Sie recherchieren oder ältere Ausgaben betrachten möchten, können Sie hier unser Archiv aufrufen.
Zum Thema Arbeitsrecht
- Fallstrick Dienstreise: Wird die Frist einen Tag überschritten, wird aus einer befristeten Arbeitsstelle eine unbefristete
- Kündigung per Einwurfeinschreiben: Die Vorlage von Einlieferungs- oder Auslieferungsbelegen ist kein Zugangsbeweis
- Urlaubsverfall und Hinweispflichten: Erst wenn Langzeiterkrankte zurückkehren, müssen Arbeitgeber handeln
- Versetzung des Gemobbten: Ist der Arbeitsort nicht vertraglich festgelegt, hat der Arbeitgeber freie Hand
- den Arbeitsvertrag,
- Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung,
- einen anwendbaren Tarifvertrag oder
- gesetzliche Vorschriften festgelegt sind.
- Zur Geheimhaltung verpflichtet: Dem Betriebsrat darf die Einsicht in nicht anonymisierte Gehaltslisten nicht verweigert werden
Wenn der Arbeitgeber Fehler bei der Befristung eines Arbeitsvertrags macht, hat das erhebliche Auswirkungen. Denn da Arbeitsverhältnisse ohne Vorliegen eines Sachgrunds nur maximal für 24 Monate befristet werden können, kann eine solche Nachlässigkeit Folgen haben - so wie im folgenden Fall des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf (LAG).
Ein Rechtsanwalt wurde vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befristet als Arbeitnehmer eingestellt. Das Arbeitsverhältnis begann am 05.09.2016 und sollte mit dem 04.09.2018 enden. Ab dem ersten Arbeitstag bis zum 23.09.2016 besuchte der Arbeitnehmer eine Schulung in Nürnberg. Hierzu reiste er von seinem Wohnort in Düsseldorf im Einvernehmen mit dem BAMF bereits am Sonntag, dem 04.09.2016, an. Das BAMF erstattete ihm die Reisekosten und die Hotelkosten für die Übernachtung vom 04.09.2016 auf den 05.09.2016. Nach Ablauf der Befristung klagte der Rechtsanwalt auf eine unbefristete Arbeitsstelle, denn schließlich sei er einen Tag länger als zwei Jahre beschäftigt gewesen.
Ein cleverer Schachzug, dem auch das LAG nichts entgegenzuhalten hatte. Die sachgrundlose Befristung des Arbeitsvertrags durch die Arbeitgeberin war unwirksam, da diese nur bis zur Dauer von zwei Jahren zulässig war. Und genau dieser Zeitrahmen wurde im vorliegenden Fall um exakt einen Tag überschritten, da die Dienstreise bereits als Arbeitszeit anzusehen war. Die von der Arbeitgeberin bezahlte Dienstreise zählte schließlich nicht zur Freizeit des Arbeitnehmers, sondern wurde bereits innerhalb des Arbeitsverhältnisses erbracht. Somit endete der Zweijahreszeitraum mit Ablauf des 03.09.2018.
Hinweis: Wird ein sachgrundlos befristeter Arbeitsvertrag also auch nur um einen Tag über die zulässigen zwei Jahre hinaus fortgesetzt, führt dies dazu, dass ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht.
Quelle: LAG Düsseldorf, Urt. v. 09.04.2019 - 3 Sa 1126/18
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2019)
Eine Kündigung per Einschreiben zu versenden, ist stets risikoreich. Und dass das nicht nur für Arbeitgeber, sondern für alle gilt, die ein Vertragsverhältnis kündigen möchten, beweist das folgende Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen (ArbG).
Das Arbeitsverhältnis eines Rettungsassistenten sollte durch den Arbeitgeber beendet werden. Er übersandte seinem Angestellten deshalb eine Kündigung per Einwurfeinschreiben. Nun bestand vor dem ArbG Streit darüber, ob die Kündigung überhaupt zugegangen war. Bei der entsprechenden Beantwortung dieser Frage zog der Arbeitgeber den Kürzeren.
Die Kündigung war nach Ansicht der Richter nicht zugegangen und hatte das Arbeitsverhältnis somit auch nicht beendet. Ein voller Beweis des Zugangs des Einwurfeinschreibens konnte durch den Arbeitgeber nicht geführt werden. Denn als Angestellte der Deutschen Post als Aktiengesellschaft können die Mitarbeiter keine öffentlichen Urkunden (mehr) erstellen. Allein durch Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbelegs eines Einwurfeinschreibens wird kein Anscheinsbeweis für den Zugang der Sendung begründet. Der Empfänger einer Sendung kann insbesondere den Nachweis, dass er ein Schreiben nicht erhalten hat, in der Regel nicht führen, weil es sich hierbei um eine "negative Tatsache" handelt. Zudem gab es keine für das ArbG nachvollziehbaren Gründe, das Risiko des Zugangsnachweises einer Sendung mit der Annahme eines Anscheinsbeweises im Ergebnis auf den Sendungsempfänger zu übertragen, da dieser keinen Einfluss auf die Wahl der Zustellungsart hatte.
Hinweis: Die Versendung eines Kündigungsschreibens durch ein Einwurfeinschreiben ist also nicht so sicher, wie häufig gedacht. Allein durch die Vorlage des Einlieferungs- und des Auslieferungsbelegs eines Einwurfeinschreibens kann kein Beweis für den Zugang einer Kündigung geführt werden.
Quelle: ArbG Reutlingen, Urt. v. 19.03.2019 - 7 Ca 89/18
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2019)
Über den Verfall von Urlaubsansprüchen müssen Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer informieren. Was dies für Arbeitgeber von langzeiterkrankten Mitarbeitern bedeutet, stellt der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Hamm (LAG) klar.
Eine Arbeitnehmerin war seit dem Jahr 2017 durchgehend erkrankt und konnte deshalb die ihr noch zustehenden Urlaubstage für 2017 nicht nehmen. Im November 2018 forderte sie daraufhin ihre Arbeitgeberin zur Abgeltung des entsprechenden Urlaubsanspruchs auf, da dieser ihrer Ansicht nach nicht verfallen sei. Dabei verwies sie auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 19.02.2019 (9 AZR 541/15): Ihr restlicher Urlaubsanspruch aus dem Jahr 2017 sei schon deshalb nicht verfallen, da die Arbeitgeberin es unterlassen habe, sie rechtzeitig auf den drohenden Verfall hinzuweisen. Mit dem Argument kam sie allerdings nicht weiter.
Die Urlaubsansprüche aus dem Jahr 2017 waren nach Ansicht des LAG erloschen. Eine Belehrung der Arbeitgeberin dahingehend, dass bestehende Urlaubsansprüche erlöschen, wenn diese nicht bis zum 31.12. des Kalenderjahres beansprucht werden, wäre im Fall einer langzeiterkrankten Arbeitnehmerin falsch. Denn die Urlaubsansprüche erlöschen im Fall der Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf von 15 Monaten nach dem Ablauf des Kalenderjahres, aus dem sie resultieren. Die Frage eines früheren Erlöschens hätte sich erst wieder nach Genesung der Arbeitnehmerin gestellt und sodann eine Belehrung der Arbeitgeberin erfordert.
Hinweis: Es besteht also für den Arbeitgeber keine Belehrungspflicht über den Verfall von Urlaubsansprüchen bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern. Erst wenn ein solcher Arbeitnehmer zurück in den Betrieb kommt, muss der Arbeitgeber handeln.
Quelle: LAG Hamm, Urt. v. 24.07.2019 - 5 Sa 676/19
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2019)
Mobbing am Arbeitsplatz ist immer wieder ein Thema für die Arbeitsgerichte - leider. Auch der folgende Fall, den das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern (LAG) zu entscheiden hatte, beschäftigt sich mit den diesbezüglichen Pflichten der Arbeitgeber.
Eine Köchin benötigte für ihren Weg zu ihrer Arbeitsstelle mit dem Auto etwa 20 Minuten. Dann kam es zu einer Auseinandersetzung mit der Küchenleiterin. Die Arbeitnehmerin war seit diesem Tag ununterbrochen arbeitsunfähig. Daraufhin versetzte die Arbeitgeberin sie in eine andere von ihr ebenfalls betriebene Küche in einer nahe gelegenen Stadt. Für die Fahrt dorthin benötigte die Arbeitnehmerin etwa 50 Minuten und klagte deshalb gegen die Versetzungsentscheidung der Arbeitgeberin.
Die Versetzung war in den Augen des LAG jedoch durchaus rechtmäßig gewesen. Der Arbeitgeber darf Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen nicht durch
Ein Arbeitsort war hier im Arbeitsvertrag nicht festgelegt. Die Bestimmung des Leistungsorts nach billigem Ermessen verlangt eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. Die Arbeitgeberin hat infolge der seit längerem anhaltenden Konfliktlage in der ursprünglichen Küche ein berechtigtes Interesse an der Versetzung. Sie war insbesondere nicht dazu verpflichtet, die Streitursache oder einen Verantwortlichen für den Streit zu ermitteln, soweit das überhaupt möglich war.
Hinweis: Es ist also Sache des Arbeitgebers zu entscheiden, wie er auf Konfliktlagen reagiert. Er muss nicht erst die Ursachen und Verantwortlichkeiten aufklären, bevor er tätig wird. Was viele Arbeitgeber nicht berücksichtigen: Die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß, dass ein Mobber immer wieder mobbt - bleibt der Auslöser für Streitigkeiten am Arbeitsplatz, wird es keine Ruhe geben.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urt. v. 30.07.2019 - 5 Sa 233/18
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2019)
Bestehende Rechte dürfen nicht gekürzt werden. Das gilt natürlich insbesondere für Rechte von Betriebsräten, wie der folgende Fall des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (LAG) beweist.
Ein Betriebsratsgremium verlangte die uneingeschränkte Einsicht in nicht anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten. Der Arbeitgeber sah das jedoch nicht ein und wollte die Einsichtnahme überwachen, um unerlaubte Fotokopien oder Fotoaufnahmen jener Listen durch Betriebsratsmitglieder zu verhindern. Diesen Streit musste schließlich das LAG entscheiden.
Nach dem Beschluss stand dem Betriebsratsgremium laut dem LAG durchaus ein uneingeschränktes Einsichtsrecht in nicht anonymisierte Bruttolohn- und Gehaltslisten zu. Die Einsichtnahme darf ohne Anwesenheit von Personen vorgenommen werden, die vom Arbeitgeber mit der Überwachung der Einsichtnahme beauftragt wurden. Das Einsichtsrecht bestand, weil dies zur Durchführung der Aufgaben des Betriebsrats erforderlich war. Ein besonderes Überwachungsbedürfnis war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
Hinweis: Der Betriebsrat hat also zu jeder Zeit ein Recht auf Einsichtnahme in die Listen über die Bruttolöhne und -gehälter. Der Datenschutz steht dem nicht entgegen, da der Betriebsrat selbst zur Geheimhaltung verpflichtet ist.
Quelle: LAG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 15.05.2019 - 3 TaBV 10/18
zum Thema: | Arbeitsrecht |
(aus: Ausgabe 12/2019)